Was blieb, ist Terror

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Der Arabische Frühling brachte fast überall nur Elend und Leid

 

Von Heinz Gstrein

Vor zehn Jahren hatte die Länder südlich und östlich vom Mittelmeer jene Unruhe erfasst, die wegen ihrer anfänglich demokratischen und sozialrevolutionären Motive „Arabischer Frühling“ genannt wurde. Sehr bald traten diese fortschrittlichen Anliegen jedoch in den Hintergrund. Der politische Islam bemächtigte sich der progressiven Bewegung, Bürgerkriege brachen aus, in die auch die regionale Großmacht Iran und die verblassenden Weltmächte USA und Russland eingriffen.

Zum Besseren hat sich die Lage nur in Tunesien, dem Sudan und dem syrischen Kurdistan gewandelt. In Tunis, wo das Aufbegehren schon vor Jahreswechsel 2010/11 seinen Anfang nahm und bald den korrupten Diktator Ben Ali hinwegfegte, hat sich die Demokratisierung echt und andauernd durchgesetzt. Sand ins Getriebe streut ihr aber zunehmend das wirtschaftliche Unvermögen, die Lebensbedingungen der Massen übers Existenzminimum anzuheben.

Ein wahres „Musterländle“ ist das selbstverwaltete kurdische, teils christlich-aramäische Nordostsyrien geworden. Es eifert dem Vorbild das autonomen, irakischen Kurdistan nach. Dieses hat sich als einzig positives Ergebnis der US-Interventionen am Tigris von 1991 und 2003 herausgemacht. Über beiden Autonomien hängt aber die ständige Gefahr türkischer Einfälle, da Erdogan eigenständige Kurdenstrukturen weder im Inneren der Türkei noch an ihren Grenzen zulassen will.

Seinen wichtigsten, aber späten Erfolg hat der Arabische Frühling seit 2019 in Sudan. Dort war seit 1989 unter Omar al-Baschir eines der übelsten Islamisten-Regime an der Macht. Nicht zufällig, weil genau dort schon im späten 19. Jahrhundert der falsche Muslim-Messias „Mahdi“ den Anfang mit der ganzen Politislamerei gemacht hatte. Heute findet in Khartum ein Übergang zur vollen Demokratie statt.

Sonst hat das Erwachen der Araber nur wie in Ägypten neue Diktatoren hervorgebracht oder in Syrien, Libyen und dem Jemen bis heute anhaltende Bürgerkriege ausgelöst. Ihre Folgen sind vor Ort grenzenloses Leid und eine seit 2016 ausufernde Flüchtlingsbewegung Richtung EU. Diese ist zu einer allgemeinen afro-asiatischen Auswanderungswelle angeschwollen. Dank ihr versucht das Hauptdurchgangsland Türkei sich in Brüssel finanzielle und politische Unterstützung zu erpressen.

Als Folge der islamistischen Umfunktionierung des Arabischen Frühlings sieht sich Europa auch mit einem Terrorexport konfrontiert.

Zwar konnten die Machtergreifung der Muslim-Brüder in Ägypten 2013 mit einem Militärputsch beendet und die beträchtlichen Bodengewinne des „Islamischen Staates“ (IS) im Irak und Syrien 2017 zurückerobert werden. Auf fruchtbaren Boden ist die IS-Parole von „Fortan Einzelkämpfer all überall“ jedoch in der Muslim-Diaspora gefallen wie die Attentate in Frankreich und zuletzt auch Wien zeigen.

Israel hat der Arabische Frühling spürbare Entlastung gebracht, da seine Existenz und Expansion nicht mehr das Hauptthema aller Araber darstellen. Dafür ist seine Bedrohung durch die Islamische Republik Iran gefährlich näher gerückt.